Mitten in Paris, in unmittelbarer Nähe zu den großen Kaufhäusern und dem Boulevard Haussmann, befindet sich eine Gedenkstätte für Marie Antoinette und Ludwig XVI. Das an einen antiken Tempel erinnernde Monument hat man genau an jener Stelle errichtet, wo das von der Revolution hinweggefegte Königspaar nach der Enthauptung begraben wurde. Bei Sonnenschein wird der Park rund um die Kapelle gern von StudentInnen genutzt, das Touristenaufkommen hält sich hingegen in Grenzen.
Ludwig XVIII. ließ die sterblichen Überreste seines Bruders und der Königin nach Saint-Denis, der Grablege der königlichen Familie, überführen. Zum Andenken an das Paar und die vielen Toten der Revolution gab er auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs eine Sühnekapelle (Chapelle expiatoire) in Auftrag. Das Projekt wurde Pierre Fontaine, einem der Lieblingsarchitekten Napoleons, anvertraut, die Fertigstellung sollte bis 1826 dauern.
Über zwei Treppen und ein Vestibül, dessen steinerne Innenwände mit Kronen- und Girlandenreliefs verziert sind, gelangt man in den Campo Santo. Das ist ein erhöhter Garten, dessen Erde aus dem ehemals hier angesiedelten Friedhof besteht. Besonders geehrt werden hier Gardisten der Schweizer Garde, die bei der Erstürmung des Tuilerien-Palastes 1792 getötet wurden. Entlang der beiden Längsseiten des Gartens wurden für sie symbolisch – leere – Gedenkgräber errichtet. Die Verzierungen, die Mohnkapseln, Zypressen- und Eichenzweige darstellen, weisen darauf hin, dass die Opfer der Revolution aus allen Schichten der Gesellschaft stammten.


Am Ende des Gartens ragt die Sühnekapelle in den Himmel. Eine breite Treppe führt zu vier dorischen Säulen, die – wie in der griechischen Antike – einen eindrucksvollen Tympanon tragen. Im Inneren fällt der Blick auf vier prachtvolle Gewölbedecken mit Fensteröffnungen. Vier Flachreliefs am Übergang der Wände zum Deckengewölbe zeugen nicht nur vom tiefen Glauben des Königspaares, sondern auch von der Raffinesse der französischen Steinmetzkunst: Sie zeigen die Leiden Christi, das Abendmahl, die Dreifaltigkeit und die Tafeln mit den zehn Geboten. Über dem Eingangsportal ist die Überführung der royalen Gebeine nach Saint-Denis dargestellt.

Rechts und links vom Altar ziehen zwei große, weiße Marmorstatuen die Aufmerksamkeit der BesucherInnen auf sich. Auf der linken Seite klammert sich eine Hilfe suchende Marie Antoinette (Bild) an ihre Religion (in Gestalt einer Frau). Rechts ist der König, gestützt von einem Engel, zu sehen. Die beiden Werke wurden von der ältesten Tochter des Paares, Marie-Thérèse Charlotte, gestiftet. Sie ließ auch letzte Botschaften ihrer Eltern in die Sockel der Statuen eingravieren.
Im Untergeschoß steht ein dunkler Marmoraltar genau an jener Stelle, an der nach 21 Jahren die Überreste des hingerichteten Königs Ludwig XVI. exhumiert wurden. Ein weiterer Raum informiert über die Biographien von Wohltätern der Chapelle. Mehrfach stand das Monument kurz vor dem Abriss. Ein Anrainer, Jacques Libman, gab sich als reicher Amerikaner aus, der die Kapelle demontieren und in den USA aufstellen wollte. So konnte er die Zerstörung verzögern und damit verhindern.
Auch das Leben der Tochter Marie-Thérèse Charlotte wird beleuchtet. Sie fand Zuflucht im Schloss Frohsdorf in Niederösterreich, einem Mini-Schönbrunn, das vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geriet, die aber mit der Bourbonen-Tochter nichts zu tun hatten: Der damalige Besitzer ließ dort einen Millionenschatz vergraben, der prompt gestohlen wurde.